Rezension der Doppel-CD "Im Abendrot"
Verfasser: Rainer Bartesch, Komponist

                   

Rezension der Doppel-CD, 03.08.2022

IM ABENDROT

Bayer Records DDD BR 100411/412

Wilhelm Furtwängler, Anton Beer-Walbrunn, Josua Benjamin Carnap

Eichendorff-Lieder u.a.

Angelika Huber, Sopran

Mamikon Nakhapetov, Klavier

 

Anton Beer-Walbrunn und seine Schüler - verkannte Meister, von denen wahrscheinlich noch einiges zu entdecken und zu würdigen sein wird!

 

Als ich gebeten wurde, eine Rezension über diese Ersteinspielung von Werken von Anton Beer-Walbrunn, Wilhelm Furtwängler und Josua Benjamin Carnap zu schreiben, galt meine Neugierde zuerst Wilhelm Furtwängler, denn dessen Wirken als Dirigent strahlte in die ganze Welt aus, er wurde und wird international gefeiert, während seine Kompositionen so gut wie unbekannt geblieben sind. Ich legte also die CD ein – ohne vorher einen Blick ins Booklet oder auf das Inhaltsverzeichnis der CD zu werfen - und schloss die Augen...

Schon die ersten vier Lieder eröffnen mir eine Welt tiefer romantischer Empfindungen, einer feinsinnigen Entrücktheit, die auf mich in ihrer Kombination aus Klarheit und unmittelbarer Expressivität wie ein reifes Destillat romantischer Ausdrucksformen wirkt.

Kraftvolle Sprünge und Gesten mit großem Ambitus wechseln sich ab mit kleinschrittigen, zart gewobenen Linien, verbunden mit kühnen harmonischen Rückungen - eine spannende Kombination, die nicht weniger intensiv wirkt, nur eben nach innen gerichtet, introvertiert. Dann begegnet mir wieder komplette Reduktion, Schlichtheit. Eine fast schon morbide „nervliche Übersensibilität“ schimmert an etlichen Stellen durch und verleiht jeder Silbe eine eigene Schattierung.

Schon in diesen ersten vier Liedern begegnet mir quasi das gesamte Spektrum romantischer Ausdrucksmittel in schönster Form. Unfassbar. Wer ist der Komponist? Ich schaue nach: Josua Benjamin Carnap. Den Namen hatte ich zuvor noch nie gehört. Er war ein Schüler, aber auch nahestehender Freund von Anton Beer-Walbrunn und hatte wohl eine große Karriere vor sich, wenn nicht der Erste Weltkrieg seinem Leben ein viel zu frühes Ende bereitet hätte. Seine vier Lieder „Ekstase“, „Freundliche Vision“, „Das grüne Wunder“ und „Froh und fromm“ bilden schon mal einen vielversprechenden Einstieg in diese Doppel-CD.

Nun folgen mit „An die Wolke“ und „Auf der Brücke“ zwei Lieder von Anton Beer-Walbrunn, die mit hoher dramatischer Energie zupacken, mit einem Klavierpart, der fast schon orchestral anmutet und in seinem Duktus an Schubert erinnert. Anders als bei Carnap geht es bei diesen Liedern nicht um feinstoffliche, ja ätherisch-verklärte Grenzzustände des Geistes, sondern um handfestes Drama hier auf der Erde. Hier wird nicht nur betrachtet, sondern gehandelt und erzählt, weshalb Beer-Walbrunn die durchkomponierte Liedform anstatt der strophischen gewählt hat. Er spannt unglaublich weite Erzählbögen, mit stringenter, raffinierter motivischer Verarbeitung, setzt das Klavier als gleichwertigen Duo-Partner ein und lässt ihm Raum für musikalische Fortführung der textlichen Erzählung. Man hört sofort die Souveränität und Reife seines musikalischen Schaffens, spürt die ausgewogenen, stimmigen Proportionen seiner großformatigen formalen Anlage und genießt die kontrapunktischen Finessen.

Die warme und dunkle Sopranstimme von Angelika Huber passt wunderbar zu diesen Liedern, man spürt ihre Hingabe und Begeisterung für diese Kompositionen. Sie hat sich aber nicht nur gesanglich in diese Produktion eingebracht, sondern zusätzlich als Autorin die Werkbeschreibungen im Booklet beigesteuert. Ihre Gesangsdarbietung verschmilzt mit einem wunderbar sensibel gespielten Klavierpart zu einer zauberhaften Einheit. Der Pianist Mamikon Nakhapetov, der mit seinem mühelosen, nuancierten Spiel die Werke mit einem unglaublichem Reichtum an Farben sprichwörtlich zum Leuchten bringt, ist ein Künstler von internationalem Weltklasse-Format. Ein Glücksgriff für diese Ersteinspielung! Auch der Tontechnik muss hier ein großes Kompliment gemacht werden, denn schöner und ansprechender kann man den Gesang, aber vor allem das Klavier nicht aufzeichnen! Ein weiteres großes Lob möchte ich den Booklet-Autoren aussprechen. Wobei „Booklet“, also „Büchlein“ eine maßlose Untertreibung für dieses 68seitige Nachschlagewerk ist! Übersichtlich und liebevoll gestaltet wartet es mit spannenden Hintergrundinformationen auf und komplettiert damit den Hörgenuss.

 

Doch nun zurück zur CD: Mit dem „Acherontischen Frösteln“, dem „Wiegenlied“ und „Ist das alles?“ kehren wir wieder zurück in die ätherisch-romantische Welt von Josua Benjamin Carnap. Was für herrliche Miniaturen, welch ein frischer Kontrast zur wuchtigen Anlage der Beer-Walbrunn- Lieder! In den Liedern von Carnap blicken wir von einer übergeordneten Perspektive auf die Welt und lauschen den poetischen Worten, die in zart gefärbte Töne getaucht sich zeitlos in den unendlichen Raum verströmen.

An diese zarte Stimmung knüpft der Beginn von Beer-Walbrunn's geistvoll-kunstvollen Variationen über „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ an. Dieses Werk entwickelt sich, ausgehend vom schlichten Satz, hin zu einer orchestral empfundenen Opulenz und spiegelt mit seinen kunstvollen kontrapunktischen, motivischen und harmonischen Verarbeitungen Beer-Walbrunn's geschmackvolles, meisterhaftes, kompositorisch-satztechnisches Können wider.

In seiner Vertonung von „Die stille Stadt“ bewegt er sich am Rande der Tonalität und lässt auch schon mal impressionistische Anklänge auftauchen, wenn er übermäßige Akkorde parallel wandern lässt, um die unheimliche, geisterhafte Stimmung der vom Berg hinabgleitenden Nebelschwaden abzubilden.

Das nachfolgende Lied über ein „Vergissmeinnicht“ bei einer Waffenschmiede lebt von seiner kunstvoll gestalteten Kontrastierung zwischen lautmalerisch abgebildeter Schmiedearbeit und der zarten Seele eines kleinen Vergissmeinnicht. Schon wieder ein kleines Lieder-Juwel!

Nicht weniger beeindruckend ist das „Märzlied“, das in einem einzigen großen Bogen komponiert ist und sich aus einer kleinen motivisch-harmonischen Bewegung heraus entwickelt und in atemberaubender Weise zu höchster Intensität steigert. Hier kann man den effizienten Einsatz sämtlicher kompositorischer Ausdrucksmittel beobachten - in brillanter, meisterhafter Weise.

 

Nach diesen Liedern folgt der instrumentale „Frühlingseinzug“ als ein wunderschön polyphon bzw. kontrapunktisch singendes Werk in der Art eines Liedes ohne Worte. In seiner klanglich opulenten Anlage aber auch aufgrund seiner größer angelegten musikalischen Form erreicht es beinahe schon eine orchestrale Wirkung, wobei es am Ende wieder kammermusikalisch wird und in die sanfte und ruhige Stimmung des Anfangs zurückkehrt und so den Kreis schließt.

„Blätterfall“, der erste Liedbeitrag auf dieser CD des damals etwa 14jährigen Wilhelm Furtwängler, ist ein echtes Jugendwerk, das aber schon – vor allem in den harmonischen Fortschreitungen und Finessen – Gemeinsamkeiten mit den Liedern seines Lehrers Beer- Walbrunn aufweist. Auch wenn es sich noch nahe an der Form eines klassischen Strophenlieds bewegt, so ist doch der eindeutige Wille spürbar, über diese historische Form hinauszugehen.

Die nachfolgende Vertonung von „Hoffnung“ durch Beer-Walbrunn zählt zu den größer angelegten Werken. Hier entspinnt sich auf besondere Weise ein Dialog zwischen dem Gesangspart und der linken Klavierhand, fast so als ob da noch eine zusätzliche Männerstimme dazukommen würde. Reizvoll treten in der Klavierbegleitung die virtuosen lautmalerischen Beschreibungen des besungenen Wellenspiels plastisch hervor.

 

Die zweite CD beginnt mit vier Liedern von Josua Bejamin Carnap, in der für ihn typischen hoch- oder spätromantischen Tonsprache. Auf das entrückte „Im Blätterfallen“ mit seinen angespannten, mäandernden Harmonien folgt in leuchtender musikalischer Sprache der „Spätsommer“. Danach erklingt emotional aufgewühlt die „Letzte Bitte“, in die - was ungewöhnlich ist - rezitativische Zwischenteile eingewoben sind, die diesem Lied zusammen mit einem großen erzählerischen Bogen fast schon opernhafte Züge verleihen.

Kontrastierend dazu, aber ebenfalls bezaubernd ist das „Abendlied“ mit seiner großen inneren Ruhe, zart gewobenen Linien, kühnen harmonischen Sprüngen und einer scheinbar grenzenlosen harmonischen Freiheit, die sanft vom Klaviernachspiel geordnet und gefasst wird.

In Wilhelm Furtwängler's „Möwenflug“ vollzieht sich auf musikalisch-erzählerische Weise das Herausarbeiten von Gegensätzen und deren Aufhebung in einem schließlich nicht mehr differenzierbaren Ganzen. Hier hören wir eine Textvertonung mit kontrastierenden, energetisierenden Affekten, die Furtwängler in eine nachsinnende, deklamatorische Passage münden lässt, in der schließlich Ruhe einkehrt und jegliches Wollen erstirbt.

An dieser Stelle möchte ich gleich auch auf das dritte Lied von ihm auf dieser CD eingehen: „Der Schatzgräber“ zählt zu den Strophenliedern, orientiert sich hörbar am Schubert'schen Klavierlied, in der in Balladenform eine symbolhafte, allgemeingültige Geschichte erzählt wird. Hält man sich vor Augen, dass alle drei Lieder das Werk eines etwa 14jährigen sind, so kann man die kompositorische Ausgestaltung und Souveränität im Umgang mit den musikalischen Ausdrucksmitteln nur bewundern.

Doch nun wieder zurück zur Hauptperson, Anton Beer-Walbrunn: zwei weitere Klavierwerke und sechs Lieder finden sich noch auf der CD. Eine Reverenz an Bach und seine Kunst der Fuge stellt die „Fuge in G-Moll“ dar, die sich in ihrer kunstvoll-raffinierten polyphonen Ausgestaltung mit den Werken Bachs messen kann ohne sie zu imitieren. In den Engführungen erreicht sie eine unglaubliche kompositorisch-strukturelle Dichte. In diesem Werk spürt man aber auch den Willen zum großen Ausdruck, der Grenzüberschreitung des Persönlichen hin zum Absoluten.

Auch im Lied „Trost“, das als durchkomponiertes Lied den deutschen Dichtern ein monumentales Denkmal setzt, manifestiert sich dieser romantische Zug zum Absoluten.

Eher stilisiert und auf klassische Stilmittel fokussiert wirken dagegen die beiden Lieder „Der brave Schiffer“ und „Der Glücksritter“, die einen mehr unterhaltenden Charakter haben und teilweise ironische, ja parodistische Untertöne erkennen lassen. Den „Glücksritter“ könnte man durchaus als eine charmante Charakterstudie auffassen.

Ebenfalls sehr unterhaltsam und fast schon stummfilmtauglich ist die „Fahrt mit im Ford“, ein Klavierstück in bester Wienerwalzer-Manier, das den Fahrtgenuss und allerlei Fahrterlebnisse so plastisch illustriert, so dass beim Zuhörer unmittelbar Bilder im Kopf entstehen.

In bedrückter, verhaltener Stimmung verharrt dagegen die Vertonung von „Banger Abend“ . Eng geführt tastet sich die Melodie durch dunkle Schatten und findet kein Licht. Im Klavierzwischenspiel setzt sich diese Suche fort und Beer-Walbrunn lotet auf eine spannende neue Weise die Grenzen der Tonalität bzw. harmonischen Fasslichkeit aus.

Völlig unbeschwert hingegen erklingt „Zwei Meilen Trab“, das sinnbildlich einen Pferderitt als Lebensweg auffasst und in klassischer Liedform beschreibt.

Mit maximaler Dramatik geht es dann in der „Nachtreise“ weiter, einem aufgewühlten Gefühlssturm mit eingestreuten sehnsüchtigen Passagen bei zurückgenommener Dramatik. Im weiteren Verlauf des Liedes erreicht Beer-Walbrunn dann aber auf organische Weise eine absolute Beruhigung und ein In-Sich-Kehren. Dieser virtuose Umgang mit bzw. Wechsel zwischen verschiedensten Affekten ist eine der großen Stärken von Beer-Walbrunn's kompositorischem Schaffen. Die ausgeglichenen Proportionen, die stimmige Form und ein besonderes „inneres Leuchten“, das frei von jeglichem Geltungsbedürfnis und von Manierismen ist, sind weitere Merkmale seiner Handschrift. Vielleicht ist es genau dieser Zug, der dem damaligen Zeitgeist allzu sehr zuwiderlief, so dass Beer-Walbrunn's Werke damals nicht die Würdigung erfahren haben, die sie wahrlich verdienen!

Den Abschluss dieser gelungenen Zusammenstellung an Ersteinspielungen bilden fünf Lieder von Josua Benjamin Carnap. Sie durchschreiten das ganze Spektrum menschlicher Erfahrungen und Abgründe, suchen und erreichen die Extreme und lassen sie musikalisch-energetisch leuchten. Allen fünf Liedern eigen ist dieser spezielle Carnap'sche Erzählton, eine Art rein „ätherischer“ Musik, die aus einer Perspektive außerhalb von Raum und Zeit die Dinge zu beleuchten scheint. Während beim „Im Abendrot“ noch Moll und Dur um die Oberhand ringen und den Helligkeitsgrad bestimmen, kennzeichnet „Die Zeit geht schnell“ eine Exaltiertheit, eine extreme Energie. Die Melodie steigt dort bis in die höchsten Register und spannt einen gewaltigen Bogen von höchster Lebensenergie hin zum endgültigen Abschiednehmen - eine grandiose kompositorische Annäherung an das Nicht-Fassbare, das Nicht-Aussprechbare, das unsere Existenz begründet. Beim Lied „Der verzweifelte Liebhaber“ steht hingegen das eigene Verlorensein im Mittelpunkt, das Wegwollen – musikalisch ausgedrückt mit einem ständigen Fortschreiten der Harmonien, einem Nicht-Heimisch-Werden-Können in einem harmonischen Feld. Carnap lässt immer neue, überraschende harmonische Farben auftauchen und schafft damit ein kunstvolles Psychogramm eines Schwankenden, Verlassenen, Heimatlosen. Die Musik verleiht dabei den Worten eine Tiefe, die sie alleine nicht hätten.

Einen besonders weit gespannten Bogen finden wir in „Die stille Wasserrose“, in dessen wellenartigen Arpeggios man das Wasser förmlich fließen hört. Die Melodie durchschreitet zweimal in großen harmonischen Schritten ein ganzes Universum und schwingt sich dabei empor bis ins reine Licht. Expressivität wechselt sich ab mit innigen Momenten größter Zartheit. Mit einem mühelos gesetzten, sich zart öffnenden Spitzenton gelingt hier Angelika Huber ein außergewöhnlich beglückender poetischer Moment.

Die höchst empfindsam gestaltete Vertonung „Nun die Schatten dunkeln“ rundet schließlich diese Sammlung ab. Hier beginnt das Klavier in der linken Hand eine zarte Geschichte zu erzählen, während die Gesangsstimme sich fast wie eine Nebenstimme dazugesellt. Beide wandern gemeinsam einen Weg nach oben, die Musik verdichtet sich zu reinster Energie und lässt dann vertrauensvoll das Leben weiterziehen. Ein wunderbar versöhnlicher Schluss. Absolut hörenswert!

 

Rainer Bartesch (*1964) ist ein freischaffender Komponist, Dirigent und Instrumentalsolist, dessen Werke eine Reihe von internationalen und nationalen Preisen gewonnen haben. Er unterrichtete etliche Jahre an der Münchner Musikhochschule und lebt und arbeitet jetzt am Starnberger See, südlich von München. Website: http://rainerbartesch.de

 

 

Rezension der CD "In memoriam" (Klavierwerke)

Verfasser: Jerry Dubins, aus: Fanfare (amerikanisches Musikmagazin), Ausgabe September/Oktober 2022

Englisches Original und deutsche Übersetzung

 

BEER-WALBRUNN 3 Pieces, op. 56: Rondino. Fantasy-Sonata in fT, op. 58. 3 Pieces: Am Abend, op. 67/2; Im Cirkus, op. 67/3. In memoriam in c, op. 57. 3 Pieces: Scherzo and Menuett, op. 56/2; Stimmungsbild, op. 56/3 — Mamikon Nakhapetov (pn) — BAYER 100409 (74:54)

 

   It never ceases to amaze me that no matter how deep into the depths of oblivion a composer sinks he still manages to rise to the surface, like a drowned corpse, only to be accidentally caught up in some fisherman’s net along with his daily catch of shrimp.

   And, so it is with Anton Beer-Walbrunn, whose name appears once in the headnote to a review by Henry Fogel of Greek and German art songs in 43:5. Only a single item by Beer-Walbrunn was included on that disc, a song titled, Mariæ Sehnsucht, and neither it, nor a word about the composer was mentioned in the body of Fogel’s review. But sure enough, Beer-Walbrunn was snagged in the fisherman’s net, and here we are with a full disc devoted exclusively to the composer and a selection of his pieces for solo piano.

   Who was Anton Beer-Walbrunn and how did he come to be another of the fallen that music history has buried?

   For starters, Beer, not Beer-Walbrunn, was the father’s family surname. When Anton married in 1904, he hyphenated his mother’s maiden name, Walbrunn, to his birthname.   

   He was born in the German municipality of Kohlberg on June 29, 1864, and died in Munich on March 22, 1929, three months shy of his 65th birthday. In between, he was a student at Rheinberger’s manufacturing plant for composers at Munich’s Akademie der Tonkunst, where, in turn, he became an instructor and eventually a full professor.

   Before that, however, he received a perfectly respectable provincial education at the Regensburg Preparatory School and took the entrance exams for the Dominican Monastery in Eichstätt. But a change of mind and heart took him to the newly founded school in Amberg—today the Max-Reger Gymnasium—and thence to the academy in Munich, where, as professor, Beer-Walbrunn claimed among his students German-American musicologist Alfred Einstein, composer Carl Orff, and conductor Wilhelm Furtwängler.

   Anton Beer-Walbrunn was apparently well-enough known in his lifetime that his passing warranted a March, 1929 obit in the New York Times. But it wasn’t a good sign that he was still remembered 90 years later when, in 2019, the house in which he was born in Kohlberg was demolished. So much for the town’s historical preservation society!

   I suppose we should be shocked when we learn that music history is still dotted with uncharted islands and that there remain volumes of major works yet to be discovered by composers who have been completely forgotten. Anton Beer-Walbrunn is such a composer. What if I told you that the sole song on the Fogel-reviewed album and the sampling of piano pieces on the present disc are not just the tip of the iceberg, they’re the mere wisps of mist the tip of the iceberg exhales?

   Below lie two symphonies, concert overtures and suites, a violin concerto, five string quartets, a piano quartet (premiered with Hans Pfitzner at the piano), a piano quintet, one sonata each for cello and violin, a hefty volume of stage and incidental music, a large number of songs, and choral works, and here’s the biggie, at least four operas we know of, one of which, Don Quixote, was premiered by the Bavarian State Opera in Munich on January 1, 1908.

   Other than a number of Beer-Walbrunn’s songs, organ works, a cello sonata, and these piano pieces, not a single note of any of the above works, save for the cello sonata, has been recorded or likely been heard by anyone alive today.

   There’s no way to know, of course, whether any of it is any good unless and until we hear it, but surely Beer-Walbrunn deserves at least as much attention as has been paid to the likes of Hans Rott and Felix Draeseke. Besides, I can tell you that if the piano pieces on this disc give any hint as to what can be expected from Beer-Walbrunn’s orchestral and chamber works, prepare for a major discovery of our time.

   All of the pieces here were written between 1915 and 1926, and every one of them is a late visitor from the piano’s glorious and golden Romantic age. The opening Rondino is indebted equally to Chopin and Schumann and, at times, could be a song without words by Mendelssohn. It breathes a melody and harmonies to accompany it so beautiful, you will hit the replay button to hear it again, reluctant to leave it behind.

   The six-movement Fantasie-Sonate in FT Minor seems to be made up of equal parts Beethoven and Liszt. The second movement echoes with the thunder of Beethoven’s “Appassionata” Sonata, while the fifth movement thunders with the echoes of Liszt’s Funerailles.

   Am Abend is another touching song without words, while the aptly titled Im Cirkus is a kind of sped-up, off-the rails cakewalk. Picture Debussy pedaling around in tight circles on a unicycle in a penny-arcade. It gets wilder and “wronger” as it goes, with “off” notes thrown into the harmony, as if someone were poking a stick into the cycle’s spokes, until the wheel pancakes, throwing the rider onto the floor in a heap.

   According to the album note, In memoriam, composed on the loss of two close friends, was very personal for Beer-Walbrunn. The note doesn’t tell us if they were victims of the Great War, but the piece is dated 1914. It’s the single longest, standalone piece on the disc, weighing in at just over 18 minutes. I can’t quite put my finger on what earlier models may have inspired it, but there’s something about the harmonic progressions and time-arresting rhythmic tread that puts me in mind of some of the slow movements in Beethoven’s late sonatas—perhaps Schubert’s too. Very moving.

   The concluding Stimmungsbild (Mood Picture) could easily have been a discarded movement from Schumann’s Waldszenen.

   Born in Georgia (the country, not the U.S. State), Mamikon Nakhapetov has won and placed in a number of major international piano competitions, and has already launched a successful international career. As I read the album note, a connection between Nakhapetov and Beer-Walbrunn emerged. The common denominator is the Hochschule für Musik in Munich, where, in 1901, Beer-Walbrunn was appointed instructor in harmony, counterpoint, and composition, and where, since 2008, Nakhapetov has been teaching and working as piano accompanist in the violin class of Ana Chumachenco and the singer’s class of Christiane Iven and Lars Woldt.

   It turns out that Martin Valeske, author of the informative album note, in all modesty, didn’t mention that it was he who came upon the treasure trove of Beer-Walbrunn’s works which were hiding in plain sight the whole time, while Valeske lived and worked in Kohlberg between 1982 and 2020. In Kohlberg itself, there are no documents from or about Beer-Walbrunn. Valeske first learned of him in 2009 through a newspaper article on the 80th anniversary of the composer’s death.

   In a personal note sent via email, Valeske explains that since 2009, “I have been researching Beer-Walbrunn and his works, which are kept in the music library of the Munich City Library. I reproduce the autographs with a special computer music program and make the scores available to musicians. We asked Mamikon Nakhapetov if he could play the piano works and he agreed and is enthusiastic about the compositions. My aim is to make the works of Beer-Walbrunn known to the general public. I have already made contacts with conductors who are interested in recording Beer-Walbrunn’s orchestral works and operas, and they have already received the first scores from me.”

   There’s still more I seem to have glossed over in writing this review. If you copy or type the link, beer-walbrunn-kohlberg.de into your browser, it will take you to Anton Beer-Walbrunn Kunst- und Kulturverein Kohlberg, a site and society dedicated to Anton Beer-Walbrunn, of which I gather Martin Valeske is founder and president. There, among other goodies, you will find a catalog of the composer’s works—70 with opus numbers—and the cover photos and track listings of four more albums beyond the present piano works disc, all recorded by Bayer Records. Featured are two full CDs of Beer-Walbrunn’s songs for soprano and piano, a disc of his organ works, and a disc of his cello works, aptly coupled with pieces by one of his students who became very famous, Wilhelm Furtwängler.

   I suspect it will take some time before we get Beer-Walbrunn’s symphonies and other orchestral works, not to mention his operas. That will take a bit more doing, but I can tell you, my mouth is watering.

   Once again, the pieces on the disc at hand are all gorgeous examples of the great Romantic piano tradition, and I cannot imagine a better musical advocate for them than Mamikon Nakhapetov. His playing is assured, his tone singing and beautiful, and most of all, he tugs at the heart and touches the soul. Urgently recommended. Jerry Dubins

 

Five stars: A most extraordinary musical discovery brought to us by a most sensitive artist

 

 

Deutsche Übersetzung

Es überrascht mich immer wieder, dass ein Komponist, egal wie tief er in die Tiefe der Vergessenheit sinkt, immer noch wie eine ertrunkene Leiche an die Oberfläche steigt, um versehentlich zusammen mit seinem täglichen Garnelenfang in einem Fischernetz gefangen zu werden.
Und so ist es auch mit Anton Beer-Walbrunn, dessen Name einmal in der Kopfnote zu einer Rezension von Henry Fogel über griechische und deutsche Kunstlieder in 43:5 erscheint. Nur ein einziger Artikel von Beer-Walbrunn war auf dieser CD enthalten, ein Lied mit dem Titel Mariä Sehnsucht, und weder es noch ein Wort über den Komponisten wurden in Fogels Rezension erwähnt. Aber sicher war Beer-Walbrunn im Fischernetz gefangen, und hier sind wir mit einer vollständigen CD, die ausschließich dem Komponisten gewidmet ist, und einer Auswahl seiner Stücke für Soloklavier.
Wer war Anton Beer-Walbrunn und wie wurde er ein anderer der Gefallenen, den die Musikgeschichte begraben hat?
Für den Anfang war Beer, nicht Beer-Walbrunn, der Familienname des Vaters. Als Anton 1904 heiratete, trennte er den Mädchennamen seiner Mutter, Walbrunn, von seinem Geburtsnamen.
Er wurde am 29. Juni 1864 in der deutschen Gemeinde Kohlberg geboren und starb am 22. März 1929 in München, drei Monate vor seinem 65. Geburtstag. Dazwischen war er Student Rheinbergers Produktionsstätte für Komponisten an der Münchner Akademie der Tonkunst, wo er wiederum Ausbilder und schließlich ordentlicher Professor wurde.
Zuvor erhielt er jedoch eine durchaus respektable Landesaubildung an der Regensburger Präparandenschule und legte die Aufnahmeprüfungen für das Dominikanerkloster in Eichstätt ab. Doch ein Sinneswandel führt ihn an die neu gegründete Schule in Amberg – heute das Max-Reger-Gymnasium – und von dort an die Akademie in München, wo Beer-Walbrunn als Professor unter seinen Schülern den deutsch-amerikanischen Musikwissenschaftler Alfred Einstein, den Komponisten Carl Orff und den Dirigenten Wilhelm Furtwängler beanspruchte.
Anton Beer-Walbrunn war zu Lebzeiten offenbar so bekannt, dass sein Tod einen Obit in der New York Times im März gewährte. Aber es war kein gutes Zeichen, dass er 90 Jahre später noch in Erinnerung blieb, als 2019 das Haus, in dem er in Kohlberg geboren wurde, abgerissen wurde. So viel zum historischen Denkmalschutz der Gemeinde!
Ich nehme an, wir sollten schockiert sein, wenn wir erfahren, dass die Musikgeschichte immer noch mit unbekannten Inseln übersät ist und dass noch Bände bedeutender Werke von Komponisten entdeckt werden müssen, die völlig vergessen wurden. Anton Beer-Walbrunn ist so ein Komponist. Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass das einzige Lied auf dem von Fogel rezensierten Album und die Probe von Klavierstücken auf der vorliegenden Scheibe nicht nur die Spitze des Eisbergs sind, sondern nur die Nebelschwaden, die die Spitze des Eisbergs ausatmet?
Darunter befinden sich zwei Symphonien, Konzertouvertüren und -suiten, ein Violinkonzert, fünf Streichquartette, ein Klavierquartett (uraufgeführt mit Hans Pfitzner am Klavier), ein Klavierquintett, je eine Sonate für Cello und Violine, ein kräftiges Bühnen- und Nebenvolumen Musik, eine große Anzahl von Liedern und Chorwerken, und gier ist das große Ding, mindestens vier uns bekannte Opern, von denen eine, Don Quijote, am 1. Januar 1908 von der Bayerischen Staatsoper in München uraufgeführt wurde.   
Abgesehen von einer Reihe von Beer-Walbrunns Liedern, Orgelwerken, einer Cellosonate und diesen Klavierstücken wurde bis auf die Cellosonate keine einzige Note eines der oben genannten Werke aufgenommen oder wahrscheinlich von jemandem gehört, der eute noch lebt.
Es gibt natürlich keine Möglichkeit zu wissen, ob etwas davon gut ist, es sei denn und bis wir es hören, aber sicherlich verdient Beer-Walbrunn mindestens so viel Aufmerksamkeit, wie sie Hans Rott und Felix Draeseke geschenkt wurde. Außerdem kann ich Ihnen sagen, dass Sie sich auf eine bedeutende Entdeckung unserer Zeit vorbereiten sollten, wenn die Klavierstücke auf dieser CD einen Hinweis darauf geben, was von Beer-Walbrunns Orchester- und Kammerwerken zu erwarten ist.
Alle Stücke hier wurden zwischen 1915 und 1926 geschrieben, und jedes von ihnen ist ein später Besucher aus dem glorreichen und goldenen Zeitalter der Romantik. Das Eröffnungs-Rondino ist Chopin und Schumann gleichermaßen zu Dank verpflichtet und könnte zeitweise ein Lied ohne Worte von Mendelssohn sein. Es atmet eine Melodie und Harmonien, um es so schön zu begleiten, dass Sie die Wiedergabe drücken, um es wieder zu hören und es nur ungern zurücklassen.
Die sechs Sätze umfassende Fantasie-Sonate in fis-Moll scheint zu gleichen Teilen aus Beethoven und Liszt zu bestehen. Der zweite Satz hallt mit dem Donner von Beethovens „Appassionata"-Sonate wider, während der fünfte Satz mit dem Echo von Liszts Funérailles donnert.  
Am Abend ist ein weiteres berührendes Lied ohne Worte, während der treffend betitelte Im Cirkus eine Art beschleunigter Off-the-Rail-Cakewalk ist. Stellen Sie sich vor, wie Debussy in engen Kreisen auf einem Einrad in einer Spielhalle herumtrampelt. Es wird wilder und „falscher“, wenn „Aus“-Noten in die Harmonie geworfen werden, als würde jemand einen Stock in die Speichen des Fahrrads stecken, bis das Rad Pfannkuchen und den Fahrer auf einem Haufen auf den Boden werfen.
Laut der Albumnotiz war In memoriam, komponiert über den Verlust zweier enger Freunde, für Beer-Walbrunn sehr persönlich. Die Notiz sagt uns nicht, ob sie Opfer des Ersten Weltkriegs waren, aber das Stück stammt aus dem Jahr 1914. Es ist das längste eigenständige Stück auf der CD und dauert etwas mehr als 18 Minuten. Ich kann nicht genau sagen, was frühere Modelle inspiriert haben mögen, aber es gibt etwas an den harmonischen Fortschritten und dem zeitvernichtenden rhythmischen Schritt, das mich an einige der langsamen Sätze in Beethovens späten Sonaten erinnert – vielleicht auch an Schuberts. Sehr bewegend.
Das abschließende Stimmungsbild könnte leicht eine weggeworfene Bewegung aus Schumanns Waldszenen gewesen sein.
Mamikon Nakhapetov wurde in Georgia (dem Land, nicht dem US-Bundesstaat) geboren. Er hat eine Reihe großer internationaler Klavierwettbewerbe gewonnen und platziert und bereits eine erfolgreiche internationale Karriere gestartet. Als ich die Albumnotiz las, entstand eine Verbindung zwischen Nakhapetov und Beer-Walbrunn. Der gemeinsame Nenner ist die Hochschule für Musik in München, an der Beer-Walbrunn 1901 zum Lehrer für Harmonie, Kontrapunkt und Komposition ernannt wurde und an der Nakhapetov seit 2008 als Klavierbegleiter in der Geigenklasse von Ana Chumachenco und an der Sängerklasse von Christiane Iven und Lars Woldt unterrichtet und arbeitet.
Es stellt sich heraus, dass Martin Valeske, Autor der informativen Albumnotiz, in aller Bescheidenheit nicht erwähnte, dass er es war, der auf die Schatzkammer von Beer-Walbrunns Werken stieß, die sich die ganze Zeit in Sichtweise versteckten, während Valeske zwischen 1982 und 2020in Kohlberg lebte und arbeitete. In Kohlberg selbst gibt es keine Dokumente von oder über Beer-Walbrunn. Valeske erfuhr 2009 zum ersten Mal von ihm durch einen Zeitungsartikel zum 80. Todestag des Komponisten.
In einer persönlichen Notiz per E-Mail erklärt Valeske: „Ich recherchiere seit 2009 nach Beer-Walbrunn und seinen Werken, die in der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek aufbewahrt werden. Ich reproduziere die die Autographen mit einem speziellen Computermusikprogramm und stelle die Partituren den Musikern zur Verfügung. Wir fragten Mamikon Nakhapetov, ob er die Klavierwerke spielen könne, und er stimmte zu und ist begeistert von den Kompositionen. Mein Ziel ist es, die Werke von Beer-Walbrunn der Öffentlichkeit bekanntzumachen. Ich habe bereits Kontakte zu Dirigenten geknüpft, die daran interessiert sind, Beer-Walbrunns Orchesterwerke und Opern aufzunehmen, und sie haben bereits die ersten Partituren von mir erhalten.“
Es gibt noch mehr, das ich beim Schreiben dieser Rezension übergangen habe. Wenn Sie den Link beer-walbrunn-kohlberg.de in Ihren Browser kopieren oder eingeben, gelangen Sie zu Anton Beer-Walbrunn – Kunst- und Kulturverein Kohlberg, einer Website und einem Verein, die Anton Beer-Walbrunn gewidmet ist und der ich entnehme, dass Martin Valeske Gründer und Vorsitzender ist. Dort finden Sie unter anderen einen Katalog der Werke des Komponisten – 70 mit Opusnummern – sowie die Titelfotos und Titellisten von vier weiteren Alben jenseits der vorliegenden CD mit Klavierwerken, die alle von Bayer Records aufgenommen wurden. Vorgestellt werden zwei vollständige CDs mit Beer-Walbrunns Liedern für Sopran und Klavier eine CD mit seinen Orgelwerken und eine CD mit seinen Cellowerken, die treffend mit Stücken eines seiner sehr bekannten Schüler, Wilhelm Furtwängler, kombiniert sind.
Ich vermute, es wird einige Zeit dauern, bis wir Beer-Walbrunns Symphonien und andere Orchesterwerke erhalten, ganz zu schweigen von seinen Opern. Das wird etwas länger dauern, aber ich kann Ihnen sagen, mein Mund wässert.
Wieder einmal sind die Stücke auf der vorliegenden Scheibe großartige Beispiele für die große romantische Klaviertradition, und ich kann mir keinen besseren musikalischen Anwalt für sie vorstellen als Mamikon Nakhapetov. Sein Spiel ist versiert, sein Ton singend und schön, und vor allem zieht er am Herzen und berührt die Seele. Dringend empfohlen.
Jerry Dubins

Fünf Sterne: Eine außergewöhnliche musikalische Entdeckung, die uns ein äußerst sensibler Künstler gebracht hat.

 

Rezension der CD "CELLOWERKE UND AUSGEWÄHLTE LIEDER"
Verfasser: Peter K. Donhauser, 25.03.2020


Bayer Records 100397
Anton Beer-Walbrunn, Wilhelm Furtwängler
Fulbert Slenczka, Violoncello
Dirk Wedmann, Tung-Hsing Tsai, Lauriane Follonier, Klavier
Angelika Huber, Sopran

 

 

   Eine weitere CD mit Werken des „Professors aus Kohlberg“ Anton Beer-Walbrunn (1864-1929) ist eingespielt: Cellowerke und Lieder, darunter auch einige seines Schülers Wilhelm Furtwängler. Wie schon ihre vier CD-Vorfahren können die 19 vorliegenden Welt-Ersteinspielungen für sich beanspruchen, den Nebel über dem Schaffen des Oberpfälzer Meisters weiter zu verscheuchen. Legen wir zuerst die acht Lieder von Furtwängler (1886-1954) auf: Seinen legendären Ruf erreichte Wilhelm nicht durch schreiben, sondern dirigieren. Wir hören Musik eines Früh- und Hochbegabten: Das jüngste („Du sendest, Freund, mir Lieder“ nach Uhland) schrieb er mit 16 Jahren.
   Es ist beeindruckend, wie gut der Bursch das Tonsetzer-Handwerk schon beherrscht. Seit 1897 lernte er das Komponieren, und nicht nur das: „Beim Herrn Beer habe ich jetzt Verschiedentliches über Orchester, Orchesterinstrumente, Notation und Instrumentation. Die Musikstunden sind überhaupt immer sehr interessant“ (8. Mai 1899). Ab 1912 dominierte dann Furtwänglers Talent als Dirigent. Angelika Huber (Sopran) und Tung-Hsing Tsai nehmen sich der Lieder mit sorgfältiger Finesse an.
   Die ersten drei der sieben Lieder des „Herrn Beer“ stammen aus den Jahren 1893 (op. 13a), und aus der Zeit nach 1900 (opp. 24/2, 27/4-5, 63/6). Ans Klavier tritt Lauriane Follonier. Sie bildet mit Angelika Huber ein erfahrenes Beer-Walbrunn-Team. Beide haben ein Gespür für die subtile Atmosphäre der Lieder entwickelt. Der Komponist arbeitet nicht mit vordergründigen Effekten oder platter Tonmalerei, mit feinem Pinselstrich und raffinierten harmonischen Farben gestaltete Stimmungsbilder sind seine Stärke.
   Voll hellen Lichts das „Traumland“ op. 13a/2, voll freudiger Energie das „Triumphlied“ op. 13a/3 mit dem Text (Gutmann) „Wir haben ja noch das heilige Vorrecht der Jugend“. Einen herben Kontrast bilden „Die heiligen drei Könige“ op. 63/6, (Reicke) da geht es nicht um Weihrauch, Gold und Myrrhe, sondern gesellschaftskritisch um Winter, Not und Konflikte.
   Nun zu den beiden bemerkenswerten Stücken, die der hervorragende Cellist Fulbert Slenszka und der sensible Pianist Dirk Wedmann mit Liebe zum Detail (Übergänge, Dynamik, Klangfarben) erstmalig auf CD zum Klingen bringen. Die Aufnahmetechnik setzt auf Präsenz (Bösendorfer-Imperial), beim direkt abgegriffenen Cello wünscht man sich mehr von der Klangentfaltung im Raum zu hören.  
   Der Titel „Ode“ in G-Dur op. 20 steht einmalig in der Celloliteratur: Eine Paraphrase, kein Nachspielen des Liedes „Du bist die Sonne meines Lebens“. Die harmonisch delikate Anfangs-Kadenz ist übernommen, dann entfernt sich das Werk von der Liedmelodie. Ein Schmankerl für Cellisten. Die dreisätzige Sonate op. 16 in G-Dur (1895) beginnt noch harmlos mit einem klassisch-kompakten Sonatensatz. Ihr Clou ist der vielschichtige Mittelsatz, der Marsch- und Sarabanden-Rhythmen anklingen lässt und eine bezaubernd-berührende Welt an Stimmungsbildern durchmisst.   

 

Rezension der CD „REISEBILDER & LIEDER“
Verfasser: Peter K. Donhauser, 12.07.2019

Anton Beer-Walbrunn
Bayer Records 100395
Angelika Huber, Sopran
Lauriane Follonier, Klavier

 

   Die sechs „Reisebilder“ op. 21 für Klavier solo sind feine Charakterstücke. Sie haben programmatische Titel (Helle Nacht, Seefahrt, Sommertraum, Fremder Harfner, Wanderung), wie sie uns auch bei Schumann (Kinder-, Waldszenen), bei Grieg (Hochzeit auf Trollhaugen) oder später Debussy (Children´s Corner) und Max Reger (Aus meinem Tagebuche, Träume am Kamin) begegnen. Wie in Schuhmann´scher Tradition steht Beer-Walbrunn zu seinem volksliednahen Ton und entwirft kontrastreiche Bilder, alle geschrieben in klarer, oft dreiteiliger A-B-A-Form, mit blitzsauber-gründlichem Handwerk: So sind die Stücke in sich und miteinander motivisch verknüpft, nicht nur beziehungslos aufgereiht.
   Angelika Huber (Gesang) und Lauriane Follonier (Klavier) haben die Lieder und Klavierstücke als Welt-Ersteinspielungen aufgenommen. Das Tonstudio van Geest realisierte ein räumlich weites, luftiges und doch klar definiertes Klangbild, der Bösendorfer-Imperial tönt wunderbar weich, sanglich und farbig. Angelika Huber hat sich zu einer kompetenten und sensiblen Interpretin der Werke Beer-Walbrunns entwickelt: Ihr gehen die energisch-bestimmten Töne ebenso leicht von der Hand wie mühelos, leicht und luftig schwebende Noten. Lauriane Follonier musiziert delikat, mit hörbarem Vergnügen, mit blühender poetischer Fantasie und lebendiger Agogik.
   Dramatisch das „Bergwetter“ (1899) mit Blitz, Donner und Regen - da sei angemerkt, dass Kollege Richard Strauss (1864-1949) ein Jahr später erste Notizen zum Gewitter für seine spätere „Alpensinfonie“ notieren wird.
   Aus Beer-Walbrunns reichem Liedschaffen haben die beiden Musikerinnen Früh- und Spätwerke ausgewählt: Opus 12 mit Texten von Uhland und Graf von Schack, op. 13b/2 von Lenau (mit übersprudelnder Euphorie in der „Liebesfeier“). Ergebene Huldigung reflektiert Sigora in op. 27/2 „Du bist die Sonne meines Lebens“. Aus dem abgeklärten Spätwerk in op. 59 sind Lieder nach Eichendorff vertreten: Der Einsiedler, Weihnachten (einvernehmlich dialogisierend Gesang und Klavier); Die „Heymonskinder“ (mit ritterlichem Schwung, mit Witz). In der „Volksweise“ op. 63/5 nach Rilke erinnert Beer-Walbrunn mit Bordunklängen an böhmische Volksmusik und scheint sogar Smetanas „Moldauthema“ in Dur anklingen zu lassen.
   Von den früheren Balladen nach Uhland sei besonders das von herzerfrischendem Selbstbewusstsein strotzende „Des Knaben Berglied“ hervorgehoben. Bei allen Stücken der CD strahlt auch der bescheidene, oberpfälzisch-unbeirrbare Charakter des Komponisten durch, der authentisch seinen Weg ging und nie versuchte, Stile von Komponistenkollegen zu imitieren: Seine Musik klingt nach Beer-Walbrunn, nie nach Brahms, Strauss, Reger oder gar Schönberg oder Strawinsky.   

 

 

Rezension der CD "ORGELWERKE"
Verfasser: Peter K. Donhauser; Interview mit Kirchenmusikdirektor Hanns-Friedrich Kaiser, 10.02.2017

Bayer Records 100393
Anton Beer-Walbrunn
Hanns-Friedrich Kaiser, Orgel

   Innerhalb eines Jahres sind drei CDs mit Musik von Anton Beer-Walbrunn (1864-1929) erschienen. Eine dieser CDs über den Künstler, der in Kohlberg geboren wurde, hat Hanns-Friedrich Kaiser aus Weiden aufgenommen. Sie trägt den Titel „Orgelwerke“. Darin finden sich die drei Fugen aus Opus 28 von 1905 und als Ersteinspielung die Orgelsonate Opus 32 aus dem Jahr 1906. Über die Aufnahme sprach die Kulturredaktion mit dem Organisten:

     Wo steht Beer-Walbrunn im Umfeld seines Lehrers Joseph Rheinberger (München),
     von Max Reger, der seine sieben Choralphantasien zwischen 1998-1900 in Weiden
     geschrieben hat, von Siegfried Karg-Elert (Leipzig) oder Joseph Renner
     (Regensburg)?

Hanns-Friedrich Kaiser: Das Orgelwerk Beer-Walbrunns ist im Umfang klein, sowohl im Vergleich mit dem reichen Schaffen der Kollegen wie gemessen an seinem Gesamtwerk. Qualitativ schuf er Bedeutendes, doch war es in Vergessenheit geraten. Auch er bedient sich der alten Formen Passacaglia und Fuge, allerdings ist Beer-Walbrunns Tonsprache nicht so kompliziert wie die von Max Reger oder Sigfrid Karg-Elert. Ich sehe ihn in der Tradition von Joseph Rheinberger, er selber nannte sich einen „melodischen Modernen“. Seine hörenswerte Musik ist geprägt von barocker Kontrapunktik, klassischer Homophonie und spätromantischer Polyphonie.

     Eine singuläre Erscheinung ist die 40-minütige Sonate Opus 32. Was macht ihre
     Stellung in der Orgelliteratur aus?

Die monumentale Orgelsonate ist nie veröffentlicht worden. Die hohen Anforderungen und die fantastische Kombination von realistischen und mystischen Stimmungen schreckten Verleger wohl ab. Widmungsträger und Reger-Interpret Karl Straube bezeichnete das Werk als „kolossal“. Man kann diese Sonate ohne weiteres Regers umfangreichem op. 127 zur Seite stellen. Beer-Walbrunns unglaublich dicht gearbeitete Sonate umfasst die drei Sätze Passacaglia und Fuge, Canzona und Sonata. Ich sehe sie in der Tradition der großen symphonischen Orgelwerke eines Franz Liszt und dessen Schüler Julius Reubke, der mit seiner Orgelsonate über den 94. Psalm ein ähnlich singuläres Werk vorlegte.

     Sie haben als Instrument die „Max-Reger-Gedächtnisorgel“ der Michaelskirche
     Weiden gewählt, Opus 308 von Weimbs Orgelbau, die Sie mittlerweile seit fast 10
     Jahren spielen. Wie schlägt sie sich als „Beer-Walbrunn-Orgel“?

Wie Reger verlangt Beer-Walbrunn ein Instrument, das feine dynamische Abstufungen sowie fließende Übergänge zu realisieren vermag. Daneben sollte es über eine große Palette an unterschiedlichen Grundstimmungen verfügen, die sich gut mischen und subtile klangliche Differenzierungen ermöglichen. All dies ist an der „Max-Reger-Orgel“ bestens zu realisieren.

     Sie haben persönlich Tontechnik, Schnitt und Mastering betreut. Welche
     Mikrofonierung und Aufnahmetechnik hat sich in der Michaelskirche bewährt?

 

Die Weidener Michaelskirche verfügt über eine für das Musizieren vorzügliche Akustik. Der Kirchenraum hat keinen zu langen Nachhall, der das klare Hören erschwert, ist aber auch nicht „trocken“. Im Grunde genommen braucht man „nur“ den Orgelklang an geeigneter Stelle aufnehmen, dann bedarf es gar keiner aufwendigen Nachbearbeitung. Für die CD-Aufnahme haben wir Studiomikrofone der Firma Neumann verwendet und die Orgel mittels Trennkörper-Stereofonie (Jecklin-Scheibe) sowie mit Stützmikrofonen in der heute gängigen digitalen Technik (24 Bit, 48 kHz) gearbeitet.  

 

 

Rezension der CD „AUSWAHL AN LIEDERN UND SHAKESPEARES SONETTEN“
Verfasser: Peter K. Donhauser, 08.12.2016

Bayer Records 100390
Anton Beer-Walbrunn
Angelika Huber, Sopran
Kilian Sprau, Klavier

   Gesellschaftliche, politische, künstlerische Gegensätze, Konflikte und Umbrüche prägen die ersten Jahrzehnte des 20 Jahrhunderts. Strauss, Maler, Reger, Schönberg, Strawinski legen ihre klingenden Statements zum Umgang mit Tradition vor, die Reaktionen sind ungekannt heftig und emotionsgeladen. Ein Komponist, der nicht nach weitgreifender Anerkennung und Ruhm um jeden Preis gierte, ist Anton Beer-Walbrunn (1864 bis 1929) aus Kohlberg (Kreis Neustadt/W).
   Er lernt wie der Vater den Lehrerberuf setzt gegen beachtliche Widerstände der Familie seinen Kopf durch, Komponist zu werden und studiert bei Rheinberger in München – von dem er aber mehr und mehr abrückt. Ab 1901 unterrichtet er an der Musikhochschule München, ab 1908 als Professor. Er repräsentiert „einen Meister alter Schule mit großem Wissen und Können“, wie es sein Schüler Carl Orff formuliert.
   60 Lieder aus fünf Schaffensperioden umfasst sein Werk, die Sopranistin Angelika Huber und der Pianist Kilian Sprau (Augsburg) haben sich damit auseinandergesetzt. Es hat sich gelohnt: Die sorgsam und mit Herzblut musizierten 22 Welt-Ersteinspielungen begeistern. Sie provozieren aber auch die Frage, wie diese Musik derart in Vergessenheit geraten konnte. Immerhin war Beer-Walbrunn hoch angesehen, die zeitgenössischen Urteile (Wilhelm Zentner, Anton Würz) waren durchweg positiv.
   Beer-Walbrunn hat bald zu einem individuellen Stil gefunden, der sich von dem der Kollegen wie Schumann, Brahms, Strauss, Wolf aber auch Reger abhebt. Das Flussbett der Tonalität hat er nicht verlassen, er weitet es behutsam. Anders als Reger springt er nicht so schnell den Quintenzirkel rauf und runter, geht sparsam mit Chromatik um. Das macht seine Melodien memorabler.
   Die CD spiegelt die Entwicklung des Kohlberger Meisters wider. Es finden sich Lieder aus den Opera 12, 24, 27, 39 und 59 über Gedichte unter anderen von Eichendorff (Geistliche Gesäge), Schack, Lenau und Annette von Droste-Hülshoff. Als hochromantisch-dramatische Ballade bewegt sich deren „Der Knabe im Moor“ op. 37/4 schier in Rufweite des Schubert´schen „Erlkönig“ oder des „Fliegenden Holländer“, wenngleich mit Happy-End. Das Zentrum bilden die zehn „Shakespeare-Sonette“ op. 34, allein schon deren delikate Texte sind hinreißend. Mit einem Klaviersatz hochgesteckten Anspruchs skizziert Beer-Walbrunn fein differenzierte Stimmungsbilder, Wortdeutung oder Klangnachahmung setzt er erfreulich gezielt, nie plakativ-platt ein. Allenthalben ist der Satz von fasslichen Melodien durchwoben. Er ist kunstvoll komponiert, wirkt aber wie improvisatorisch inspiriert auf das Notenblatt gestreut.
   Angelika Huber singt selbst die artistischsten Sprünge lupenrein, Kilian Sprau leuchtet den dichten Klaviersatz gut aus. Kontraste zwischen rezitativisch und liedhaft, zwischen kraftvollem Klavier-Forte und mystischem Pianissimo erscheinen allerdings im Notentext klarer als auf der Einspielung. Die Zeit war überreif für diese verdienstvolle Rehabilitation Beer-Walbrunns.